Sven Krattinger kommt während seinem Studium an der ETH Zürich mit Leuten aus der ganzen Schweiz in Kontakt. In seinem Blog erzählt er, wie es ihm als Sensler in der Ferne geht und was wir von anderen Regionen lernen können. Hier die Nummer 7.
Sitzen ein Berner, ein Zürcher und ein Sensler im Zug…
Was wie ein Witz beginnt, ist die Geschichte einer amüsanten Zugfahrt mit dem Reichtum an Dialekten, den die Schweiz zu bieten hat. Um die kurze Geschichte etwas einzubetten: Über das verlängerte Pfingstwochenende haben wir drei uns entschieden, ein paar Tage in Norditalien zu verbringen. Dass das Wochenende absolut fantastisch und mit Pizza und Pasta gefüllt war, brauche ich an dieser Stelle vermutlich nicht zu erwähnen. Dass die Zugfahrt hin aber genauso erzählenswert sein würde, habe auch ich nicht erwartet.
Das Gegenteil der Goldküste
Bereits kurz nachdem wir aus dem Hauptbahnhof in Zürich losgefahren waren, lernte ich etwas Neues. Dass das rechte Ufer des Zürichsees umgangssprachlich «Goldküste» heisst, dürfte bekannt sein. Dass wir mit dem Zug aber der «Pfnüselküste» entlangfuhren, war mir neu. Und dass es Zürcher Wörter gibt, welche mir nicht geläufig sind, war mir ebenso neu: «Pfnüsel» ist bei uns im Sensebezirk allgemein als «Nǜǜscha» (Schnupfen) bekannt. Ein Glück, dass bei uns im Sensebezirk kein Ort «Nǜǜscheloch» heisst. Dort würde wohl entweder die allgemeine Gesundheit der Bevölkerung leiden oder die Kleinkriminalität durch «Schnùderbuebe» ganz schön hoch sein. Das klingt nicht nach einem lebenswerten Ort.
Auf der anderen Seite hat «Pfnüselküste» etwas Herziges an sich. Dass Wörter von eher unangenehmen Dingen in anderen Dialekten herzig oder zumindest neutral klingen, ist mir schon häufiger aufgefallen. So kamen denn auch weitere Beispiele auf der Zugfahrt zum Vorschein.
Küder chùnnt i Küder ù z Häppöri i z Muu
Beispielsweise sagen viele Deutschschweizer «de Güsel in Abfalleimer rüehre». Wir Sensler sagen hingegen «de Küder i Küder schmiitze». Objektiv gesehen klingt ersteres angenehmer, oder? Doch sollte es das überhaupt? «Pfnüsel» oder «Güsel» klingen zwar putzig, doch sind sie schlussendlich genauso unangenehm wie «Nǜǜscha» und «Küder».
Und wenn wir dafür die süssen Worte für die süssen Dinge im Leben aufsparen, haben wir doch gerade umso mehr Freude daran. So schmeckt man doch schon am Wort heraus, dass ein «Hǜnti» lecker sein muss und spätestens, wenn man das Wort «Häppörischnitta» hört, fällt einem nicht nur Gustavs Lied (das wir auch in Italien gehört haben), sondern auch eine knallrote und süsse «Häppörischnitta» ein. Die gehört doch einfach in den Mund.
As passt ifach
Vielleicht bin ich ein bisschen voreingenommen, aber generell passen senslerdeutsche Worte einfach zu ihrer Aktion oder ihrem Objekt. «Friggle» macht hungrig, «Hùngg» erinnert an ein Abendessen im Garten der Grossmutter und bei «wùy ù ay» bewegt sich mein Kopf gleich mit.
Möglich, dass der Zürcher und der Berner damit nicht einverstanden sind. Aber wenn sie uns verstehen würden, wären sie es sicher.